Was macht eine Geburt zu einem guten Erlebnis?

Warum erleben manche Frauen eine schmerzhafte und schwierige Geburt als erfüllend, während andere Gebärende nach einer einfachen Geburt unzufrieden sind? Die Beobachtung, dass sich die nachträgliche Bewertung des Geburtserlebnisses nicht immer mit der Dauer und dem Schmerz erklären lassen, veranlassten Dr. Wolf Lütjen, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Chefarzt des Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus in Hamburg, zu einer Studie, in der er der Frage nachging, welche Umstände eine Gebärende beeinflussen, damit sie eine Geburt im Krankenhaus als positives Erlebnis bewertet. Die Ergebnisse seiner Untersuchung stellte Lütje in der Fachzeitschrift „Die Hebamme“ vor (Hippokrates Verlag, Stuttgart. 2007).

An der Studie nahmen insgesamt 251 Frauen teil, die kurz nach der Geburt zu ihren Erfahrungen befragt wurden. In den Angaben der jungen Mütter spiegelte sich zunächst die zentrale Rolle wieder, die der Hebamme während des Geburtsverlaufs zufällt: Als Faktor, der für ein positives Geburtserleben entscheidend war, wurde sie mit Abstand am häufigsten genannt (91 mal), ebenso als größte Hilfe bei der Geburt (125 mal). Der eigene Partner erreichte in beiden Kategorien dagegen deutlich niedrigere Werte, der Arzt wurde sogar nur von vier Frauen als größte Hilfe bei der Entbindung angesehen. „Der Arzt wird offenbar als notwendig angesehen, wenn es zu unerwarteten Komplikationen kommt“, folgert Wolf Lütje, „bei einem normalen Geburtsverlauf ist er aber eigentlich nicht erwünscht.“ Andererseits legen die Frauen großen Wert darauf, dass Ärzte und Hebammen gut zusammenarbeiten – eine Tatsache, die sich auch darin widerspiegelt, dass die Atmosphäre als entscheidender Faktor für ein positives Geburtserleben an zweiter Stelle nach der Hebamme genannt wurde.

Ein überraschendes Ergebnis der Studie war, dass Frauen mit einer Periduralanästhesie (PDA) von der Geburt tendenziell eher enttäuscht und weniger erfüllt waren. Obwohl der Schmerz als belastend erlebt wird, führt die Behandlung des Schmerzes offenbar nicht zwangsläufig zu einem positiveren Geburtserlebnis. Das könnte nach Lütjes Ansicht zumindest zum Teil daran liegen, dass zu hohe Erwartungen an die PDA geknüpft wurden. „Anders als häufig berichtet wird, verhilft die PDA fast nie zu einer völlig schmerzfreien Geburt“, so der erfahrene Frauenarzt. Ein Teil der Frauen sei möglicherweise auch enttäuscht darüber, dass sich der Wunsch nach einer natürlichen Geburt nicht erfüllt hat und sie auf eine PDA zurückgreifen mussten.

Entscheidend für die Zufriedenheit der werdenden Mutter ist nach Lütjes Erkenntnissen kein einzelner Faktor, sondern die aus mehreren Dimensionen und Einflussgrößen zusammengesetzte Erwartungshaltung vor der Geburt. „Erst die Gesamtbilanz aller Erlebensbereiche in Abgleich mit diesen Erwartungen entscheidet darüber, ob es so etwas wie eine Gesamtzufriedenheit gibt“, so sein Fazit. Auch das Erleben von Angst, Schmerz und Langwierigkeit müssen daher nicht zwangsläufig zu Unzufriedenheit führen, wenn sie in gewisser Weise erwartet werden.

Nach Lütjes Ansicht liegt der Schlüssel zu einem besseren Geburtserleben daher in der Geburtsvorbereitung. Diese trage bislang offenbar nur zum Teil dazu bei, etwa auf den Geburtsschmerz vorzubereiten, Strategien zu seiner Bewältigung aufzuzeigen und so dem Entstehen von Kontrollverlust und Panik entgegenzuwirken. Als Vorbild könne die von Respekt und Furcht geprägte Erwartungshaltung von Mehrgebärenden dienen, die die Frauen offenbar weniger hemmt als schützt. „Fast wünscht man sich, dieses schützende Wissen der Mehrgebärenden den Erstgebärenden einimpfen zu können“, so der Viersener Frauenarzt. Die damit verbundene Gratwanderung zwischen einer allzu positiven und einer allzu negativen Sichtweise stelle eine Herausforderung für alle ExpertInnen in der Geburtshilfe dar.

Wolf Lütje: Welche Faktoren beeinflussen die Zufriedenheit und das Erleben in der Geburtshilfe? erschienen in „Die Hebamme“ 2007; 20 (1): S. 44-51

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